Ich küsste sie auf ihre Wange und nahm sie in den Arm. Eine träne rollte mir über mein Gesicht als ich in das Auto stieg. Der Motor ging an und brummte vor sich her, als ich mich aus dem Fenster lehnte und mit einem weißen Taschentuch winkte. Sie stand da, in ihrer süß verspielten, eleganten Art, sie lächelte mich an und ihre Augen funkelten. Ich sagte “Tschüss Barcelona” und sah ihr noch lange nach.
Foto: Flickr.com Creative Commons, by ines saraiva
Wir verließen sie, die Stadt die mich positiv überraschte, denn wir zogen weiter. Es ging nach Marseille. Wieder zurück über die Grenze nach Frankreich, liegt Marseille knappe 2 Autostunden von Montpellier entfernt. Wir fuhren über einen Berg nach Marseille ein, wir fuhren also bergab und erhaschten so einen herrlichen Blick über die Stadt. Ein Mix aus Hafen, Häusern und Burgen, auf höher gelegten Hügeln, ist Marseille eine am Mittelmeer liegende, recht große, dennoch überschaubare, Stadt. Hier scheint die Marine zuhause zu sein. Am Hafen grenzte ein Fischer Schiff, an eine AIDA, ein anderes wiederum an eine Yacht, welche sich wiederum in Mitten von Segel- und Motorbooten befand. Hier gab es auf dem Wasser genug Auswahl. Gestrandet im Hotel, verärgert über die Besucherritze im Bett, welche einem schwarzen Loch gleich kam, ging es raus vor die Tür, um unser Interesse an der Stadt sowie unsere Lust nach Fisch zu stillen.
So schlichen wir entlang an der Felsenküste von Marseille, vorbei an Terrassen und Restaurants, welche in die steinige Küste eingebaut waren. Vorbei an Surfclubs und Schiffen, Freibädern und Privatstränden. Was uns hier sehr deutlich wurde: hier ist die Jugend beschäftigt. Die Jugendlichen waren mit Freunden unterwegs, sie waren Skaten, Baden am Meer, sprangen von Felsen aus ins Wasser und Posten, angelten mit Fischern und spielten auf den Straßen. Die saßen nicht vor dem TV und versüfften bei Nachmittags Sendungen, wie ‘Familien im Brennpunkt’ und ‘Mitten im Leben’, denn sie waren mitten im Leben, aber in ihrem. Bei der gereiften Generation spürte man den Drang nach Bewegung. Hier wurde gejoggt was das Zeug hält. Man hatte regelrecht das Gefühl, als gäbe es keine Autos oder Fahrräder, als gäbe es nur das Joggen. Angetan über das Feeling und die Mentalität der Stadt und deren Einwohner waren wir immer noch auf der Suche nach frischem Fisch. Und den fanden wir auch. Ein paar Minuten zu Fuß und eine Bucht weiter befand sich auf einer kleinen Anhöhe ein schickes Restaurant, mit herrlichem Ausblick. Hier bestellten wir uns einen See Barsch, flambiert mit Beilage serviert. Und nach und nach füllte sich das Restaurant. Es war Abends Zeit in Marseille. Doch hier bekamen wir etwas zu sehen, was wir noch nie zuvor so bekamen.
Das Publikum bestand überwiegend aus älteren Leuten, aus Pärchen von Mann und Frau, im Alter von 40+x. Wir, bescheiden wie immer, saßen uns romantisch gegenüber, nippten am Wein, genossen die Aussicht, während wir uns unterhielten und auf unser Essen warteten. Die Anwesenden jedoch spielten an ihren Smartphones. Es waren drei alte Pärchen die sich gegenüber saßen, bei Facebook surften, Videos schauten, Selfies schossen, bei Whatsapp diskutierten und ganz nebenbei bestellten und den Sonnenuntergang verpassten. Bestellte man Hummer oder Krabben, bekam man einen Latz umgebunden, eben alles was spritzen könnte, wenn man es ausnimmt. Schnell wurden Fotos geschossen und mit der Onlinewelt geteilt. Die böse, böse Jugend, hängt nur noch an ihren Handys! Nein das tuen wir nicht, aber wie steht es um euch, liebe Oma, lieber Opa? Die Handysüchtigen Großeltern. Gerd, hast du schon Ursulas neues Profilbild gesehen, oder Helgas neues Blumenbeet was sie letzte Woche gepflanzt hat? Schau mal bei Facebook. Amüsiert und belehrt aßen wir unseren Barsch als plötzlich unser Handy bimmte. Wir bekamen eine Nachricht, aber von wem? Eines der Anwesenden Pärchen schickte uns via AirDrop ein Bild von sich. Ähm.. Ja Mensch was sagt man da. Wir lachten lautstark (!) los und hatten kurz drauf einen Lachflash. Die Menschen schauten. Vermutlich waren sie erstaunt über unseren Spaß ohne Handy, oder vielleicht einfach nur empört. Nein, also so laut zu lachen, das geht ja wohl garnicht. Wir fühlen uns gestört.
In einem Reiseführer hatten wir etwas über die Sexualität der Stadt gelesen, was ich hochgradig interessant finde und sofort propagieren werde. Es ging um das zeigen seiner Sexualität sowie die Akzeptanz der Bevölkerung in Marseille. Denn hier war es kein Problem Schwul oder Lesbisch, Pan- oder Transsexuell zu sein. In Marseille gibt es keine schwulen Stadtteile, wie Schöneberg in Berlin, keine Fahnen vor Restaurants die das Publikum anspringen, keine Demos zur Gleichbehandlung, keine Auseinandersetzung, keine schrillen Diskoqueens. Eine Stadt, die ihre eigenen Regeln aufstellt, die anders denkt und handelt als wir und so in sich wunderbar funktioniert. Marseille ist nicht Touristen überrannt und wirkt so sehr Authentisch. Eine charmante Stadt an der Côte d’Azur.
Text: Mister Matthew