Die Dresdner Schwulenszene 2.0

Die Dresdner Schwulenszene 2.0

Die Dresdner Schwulenszene 2.0

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Nun ist es mittlerweile fast auf den Tag genau fünf Jahre her, dass auf meinem Blog der Artikel »Die Gay Szene in Dresden« online gegangen ist. Ich war zarte 20 Jahre jung, sprang schon seit einigen Jahren durch die Dresdner Schwulenszene und goss eines Abends, wutentbrannt und tränennahe, auf meinem kleinen Laptop im Kinderzimmer meine Enttäuschung über die Dresdner Schwulenszene in einen Blogartikel. Keine schönen Gedanken, keine schöne Zeit für mich damals allgemein. Nachdem jahrelangen Mobbing auf einer Schule am Stadtrand von Dresden und dem anschließenden nicht weniger schlimmen Haifischbecken der Dresdner Schwulenszene, hatte ich den Glauben an gute Menschen zwar nicht aufgegeben, aber zumindest ganz tief hinten im Schrank verstaut.

Fünf Jahre später stehe ich mit meinem Leben an einem Punkt, den ich meinem damaligen Ich gar nicht wirklich beschreiben könnte. So ziemlich alles hat sich verändert und nichts ist mehr, wie es einmal war. Fast nichts mehr. Einige Dinge müssen sich verändern, damit sie bleiben, wie sie sind – und bei einigen Dinge muss man sich verändern, weil sie so bleiben, wie sie sind. Mit der Dresdner Schwulenszene war bei mir eher Letzteres der Fall. Nach dem Bruch mit vielen Menschen aus der Szene, weil vom einen auf den anderen Tag nicht mehr am Tisch der Coolen gesessen wurden durfte, habe ich Abstand genommen und war für gute zwei Jahre ziemlich allein. Bis auf meinen Freund und beste Freunde aus der Kindheit, saßen da nicht viele an meinem Tisch. Das war etwa 2015 der Fall. Zum Glück begreife ich erst rückblickend, wie einsam ich damals tatsächlich gewesen bin, war es aber eben diese Einsamkeit, die mich zu meinem heutigen Glück hat geführt. Ein interessantes Paradoxon, was mir so Einiges klar werden lässt.

Statt mich weiter mit Gossip und Gerüchten über meinen Freund und mich zu beschäftigen, beschäftigte ich mich mit mir selbst. Tut man dies, so zieht man andere Außenseiter an, die sich still und heimlich an deinen Tisch versuchen zu setzen, weil auch sie bei den Coolen nicht willkommen sind. Erst wenn man sich daraufhin komplett zurückzieht und nicht nur die Tische verlässt, sondern die ganze Kantine von außen betrachtet, sieht man, dass auf der gegenüberliegenden Seite ein saftig grüner Park gelegen ist.

Im metaphorischen Park niedergelassen, habe ich die letzten Jahre über viele verschiedene und verrückte Zufälle die unterschiedlichsten Menschen kennengelernt. Begegnungen und Zufälle so verrückt, dass sie eigentlich nur die logische Schlussfolgerung von Menschen sein können, die notgedrungen die Kantine verlassen mussten und nun an der frischen Luft aufeinandertreffen. Mit ein bisschen Abstand vom groß geworfenen Schatten der Kantine, sieht diese ganz plötzlich gar nicht mehr so schön und »die Coolen« darin gar nicht mehr so cool aus. In den letzten zwei Jahren habe ich für mich verstanden, dass mein damals geschriebener Artikel gar nicht mal so richtig war. Statt der »Gay Szene in Dresden«, wie ich damals glaubte, hatte ich nur einen Teil der Menschen daraus kennengelernt. Leider eben die Falschen. Wie konnte es auch anders kommen, wenn sich der andere Teil, die Freiheit draußen genießend, gar nicht in der Kantine aufhielt?! Ich lernte neue Leute und für mich die Einsicht kennen, dass ich die Dresdner Schwulenszene fälschlicher Weise pauschalisiert hatte. Es war niemals die Szene, sondern nur ein Teil daraus. Für mich eine Erkenntnis, die sich wie ein Outing anfühlt.

Wo damals Verzweiflung und Hass in mir gegenüber der Dresdner Schwulenszene tobten, ruht nun ein Mister Matthew in der Gewissheit, dass es zu jedem Trend einen Gegentrend gibt – sowohl in der Mode als auch in jeder Szene. So sind meinen neuen Freunden sowie mir die damals im Artikel angesprochenen Dinge mittlerweile ziemlich fremd, weil sie in unserem Umgang und Sein miteinander keine Rolle (mehr) spielen. Stattdessen spielt eine offene, inklusive, queere Gruppe im Park ein Spiel, welches sich schönes Leben nennt. Ein Teil dieser Gruppe zu sein, erfüllt mich mit unendlicher Freude und purem Glück.

Werfe ich zwischendurch einen Blick auf die alte Kantine, so läuft es mir im ersten Moment eiskalt den Rücken hinunter. Ich denke an damals und bin nachdenklich. Im zweiten Moment aber hoffe ich, dass in all der Zwischenzeit auch in der Kantine ein Umdenken stattgefunden hat. Zumindest ein bisschen. Daran möchte ich fest glauben und wünsche es von Herzen jedem, der noch an einem Tisch darinsitzt. Auch in der Kantine wird sich weiterentwickelt worden sein. Denn nur eins wäre noch viel dümmer als meine Pauschalisierung der Dresdner Schwulenszene. Es ist der Glaube daran, dass man nur selbst den Missstand Einzelner in ihr erkennt.

Happy Pride Month!

Die Dresdner Schwulenszene 2.0

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Mister Matthew
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Mister Matthew ist der Autor hinter dem gleichnamigen Modeblog für Männer: »Mister Matthew«. Seit 2014 berichtet er über die Themen Mode, Kosmetik, Lifestyle und Interior. Einzigartig in der deutschsprachigen, männlichen Bloggerszene, transportiert er auf seinem Blog individuelle als auch hochwertige Inhalte, auf künstlerische sowie ästhetische Art und Weise. Immer mit einem gewissen Twist möchte er seine Leserschaft zu den schönen Seiten des Lebens einladen. Wenn Luxus auf Haltung trifft, begegnet man Mister Matthew. Herzlich willkommen.

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2 Kommentare

  1. Adina Rieckmann
    3. Juni 2022 / 10:20

    Ich habe gerade den Artikel über deine fünf Jahre danach gelesen. Wow! Ich kenne dich gar nicht, habe dich nur bei OK neulich gesehen, aber über deinen Artikel habe ich mich gerade sehr gefreut. Unabhängig von der Schwulenszene, das was du beschreibst, trifft auch andere Menschen hart, es reicht aus nur anders zu sein als alle andern. Dann stößt man oft auf Unverständnis und Schwierigkeiten. Und bezieht ebend viele dieser Missverständnisse auf sich. Es ist wirklich sehr heilsam, nicht mehr cool sein zu wollen. Herzliche Grüße Adina

    • 7. Juni 2022 / 21:28

      Hallo Adina,

      ich danke dir sehr für deine Worte. Diese haben mir gerade total den Abend versüßt. Wie schade, dass wir bei OK nicht gesprochen haben. Das lässt sich sicher nachholen. Besonders den letzten Satz finde ich klasse: Es ist wirklich sehr heilsam, nicht mehr cool sein zu wollen. Gänsehaut.

      Vielen Dank und modische Grüße

      Mister Matthew

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